Wie richtiges Design entsteht
Gute Designer wissen, dass es einen erheblichen Unterschied gibt zwischen dem, was der Kunde will, und dem, was der Kunde tatsächlich braucht. Denn allzu oft möchte der Auftraggeber etwas Schönes, nur selten aber verlangt er etwas Richtiges.
Nach dem Briefing ist vor dem Briefing
Nachdem ich in den ersten drei Blogs der Rules-of-Design-Serie die philosophischen Grundpfeiler „Form follows Function“, „KISS“ und „Less is More“ beschrieben habe, und im letzten Blog erklärt habe, um was es in einem guten Briefing geht, kommt heute zwangsläufig ein Thema zur Sprache, das sich aus dem Briefing heraus ergibt. Nämlich warum man nicht darüber diskutieren soll, ob ein Design schön oder unschön ist, sondern nur, ob es richtig oder falsch ist.
In der Designer-Praxis ist es häufig so, dass man sich zum Besprechen eines umzusetzenden Projektes persönlich trifft. Zum sogenannten Briefing. Wie, und vor allem was ein gutes Briefing beinhaltet, gab es im letzten Blog zu lesen. Trotzdem lohnt sich ein tiefergehender Blick in die Materie, da es gerade bei diesen Gesprächen oft sehr viel Aufklärungsbedarf in Richtung der gestalterischen Arbeit seitens des Designers gibt.
Schön vs. Richtig – die Umsetzung in der Praxis
Gehen wir in einem Beispiel davon aus, dass ein Kleinunternehmen einen neuen visuellen Auftritt benötigt. Das sogenannte Corporate Design. Neben den klassischen Angaben wird man seinen Auftraggeber irgendwann auch die Frage stellen, ob er eine Vorstellung davon hat, wie das neue Corporate Design – insbesondere wahrscheinlich das Logo – denn aussehen soll. Meine Erfahrung zeigt, dass maximal einer aus zehn Personen, eine ganz konkrete Ahnung davon hat, wo es hingehen muss (und das Wort „müssen“ ist in diesem Zusammenhang essentiell!). Zumeist kommen aber eher vage Antworten.
„Ich wünsch’ mir etwas Schönes!“ – das ist die gängige Standardantwort auf die zuvor gestellte Frage. Und sie lässt jedem Designer die Nackenhaare aufstehen. Denn wie soll ich schaffen, etwas „Schönes“ zu machen? Gehen wir einen Schritt weiter und nehmen an, der Auftraggeber weiß sogar, was er als schön empfindet (kommt real schon selten genug vor). Und auf dieser Basis kreiert der Designer nun das Logo. Schön rund und schön rot und schön serifenlose Schrift. Dann zeigt der Kunde das zuhause her. Dem Ehemann, der Freundin und vielleicht sogar am Stammtisch den Kollegen aus der Kartenrunde. Und zwei Tage später steht besagter Kunde dann im Zuge der Feedback-Schleife auf der Matte und man bekommt folgende Sätze zu hören: „Kann man das eventuell auch mal in grün probieren. Und nicht ganz so rund, vielleicht sogar eckig aber mit runden Ecken. Und eigentlich etwas verspielter in der Schrift, aber halt doch irgendwie seriös soll’s schon sein. Also eigentlich wie jetzt, nur halt schön.“
Wer als Designer zulässt, dass es zu dieser Art von Kommunikation kommt, hat verloren. Und den Kunden schlecht beraten!
Also erstmal STOP – und nochmal zurück zum Anfang
Also nochmal zurück zum Start und kurz analysiert, was man hätte anders machen sollen.
- Zu allererst muss klar kommuniziert werden, dass Schönheit ausschließlich im Auge des Betrachters liegt, und dass Schönheit – und noch viel mehr das „Gefallen“ – nichts darüber aussagt, ob die zu liefernde Arbeit gut oder schlecht ist.
- Grafiker und Designer sollten sich nicht als Künstler begreifen, sondern als Dienstleister.
- Designer gestalten Produkte – ob Logo, Magazin, Website oder Stuhl ist dabei unerheblich.
- Auf was es ankommt ist die Funktion und Funktionalität des Designs.
Es gilt also in erster Linie den Kunden davon zu überzeugen, dass man etwas designen wird, was ihm dabei hilft, seinen Job gut zu machen, seine Dienstleistung besser zu verkaufen oder sein Produkt am Markt zu positionieren. Und das hängt nicht unbedingt davon ab, ob die Stammtischbrüder und -schwestern das jetzt grade schön finden, sondern ob es das richtige Mittel für den zu erfüllenden Zweck ist!
Denn es geht im Gebrauchsdesign – und davon reden wir hier, alles andere fällt unter die Kategorie Kunst – nie darum ob etwas schön oder nicht schön ist, sondern ob es richtig oder falsch ist. Für einen Designer ist es mit den richtigen Informationen eigentlich kein Problem, das Richtige zu designen.
Und zu guter Letzt sei noch etwas angemerkt, das aus meiner Sicht das Ganze wirklich spannend macht:
Wenn ich als Designer die Möglichkeit bekomme, etwas „Richtiges“ zu machen, ist es in der Regel automatisch schön! Denn wenn etwas stimmig ist, sich harmonisch in seiner Funktion in die erforderlichen Gegebenheiten einfügt, wird es von Menschen auch als schön wahrgenommen!
Fazit
Als Designer hat man die Pflicht, seinem Auftraggeber das für ihn beste Produkt zu liefern.
Dieser Pflicht kann man nur nachkommen, wenn der Designer als kompetenter Partner wahrgenommen wird, und man seinem professionellen Wissen vertraut.
Und Vertrauen generiert man vor allem dadurch, dass man von Anfang an offen und klar darlegt, wie der Designprozess abläuft und auf welchen Grundlagen er beruht.
Im nächsten Blog – bereits der sechste Teil der Serie! – geht’s dann genau um diese Grundlagen und den Grundsatz: „Designe niemals für dich selbst.“
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Über den Autor:
Sascha Ladurner ist bekennender Grafik-Nerd. Er ist außerdem selbsternannter Fußballprofessor.
Beruflich beschäftigt er sich mit Werbung und Design und berät Unternehmen über die vielfältigen Möglichkeiten des Werbeuniversums.
Er klettert leidenschaftlich gerne, hört Iggy Pop und leidet mit Wacker Innsbruck.
Kontakt: office@quickdraw.at
Bisher in der Reihe "Rules of Design" erschienen: