Etwas Einfach zu machen ist ganz schön schwer
Nachdem ich im letzten Blog das „Form follows Function“-Prinzip erklärt habe, geht es diesmal um eine weitere Grundregel beim Designen. Das KISS-Prinzip*.
Und nein, wir reden hier natürlich nicht vom küssen ;-)
Zuerst wieder ein kurzer historischer Überblick
Angeblich hat der amerikanische Ingenieur Clarence Leonard Johnson dieses Apronym* in den Fünfzigern geprägt. Er stellte einer Gruppe von Technikern an seiner Wirkungsstätte, dem Flugzeugbauer Lockheed, die Aufgabe, ein neues Düsentriebwerk zu entwickeln. Dazu gab er ihnen eine Handvoll Werkzeuge und stellte die Bedingung, dass dieses Triebwerk mit nur diesen Werkzeugen zu reparieren sein muss, um Piloten im Kriegseinsatz eine einfache Reparatur zu garantieren.
Als Designprinzip beschreibt KISS also eine möglichst einfache, minimalistische und leicht verständliche Lösung eines Problems.
Wofür steht KISS eigentlich?
In der ursprünglichen Variante steht es für „Keep it simple (and) stupid“, was so viel heißt wie „Mach es einfach und verständlich“. In der Zwischenzeit wird es aber auch abgewandelt verwendet als „Keep it simple and smart“ (Mach es einfach und schlau), „Keep it short and simple“ (Mach es kurz und einfach – v.a. im Marketing angewendet) oder „Keep it simple and straightforward“ (Mach es einfach und überschaubar).
In Bezug auf Design gilt aber zumeist die Ursprungsform von „Einfach und Verständlich“ als die zu erlangende Prämisse.
Wie funktioniert KISS in der Design-Praxis?
Kurz gesagt: Gestalten Sie nichts, was keinen Sinn hat.
Wenn Sie einen Webshop designen, führen Sie den Kunden auf schnellstmöglichen Weg vom Eintritt zum Kauf und dann zur Kassa. Ohne Umwege. Dann schaffen Sie den bestmöglichen Effekt für Ihren Kunden.
Beim UX- Design (der Fachbegriff für „User Experience“, also das, was der Anwender auf der Website erlebt) geht es in diesem Fall eben genau darum, Kunden des Shops mit möglichst wenigen Klicks auf einem logischen Weg durch den virtuellen Verkaufsraum hin zum bestätigten Kauf zu führen. Dabei ist zu beachten, dass Kunden möglichst wenig durch Pop-ups, verwirrendes Design oder irgendwelchen blinkenden Firlefanz von seinem Vorhaben – dem Kauf eines Produktes – abgelenkt werden. Und am Ende muss selbstverständlich darauf bedacht genommen werden, dass die eigentliche Kaufabwicklung, a.k.a. Bezahlung, ebenfalls möglichst einfach und unkompliziert abläuft!
Aber auch im klassischen Printdesign gilt es, das KISS-Prinzip einzuhalten. Angenommen, es gilt ein Inserat mit Produktvorteilen zu gestalten. Dann ist es wichtig, diese kurz und knackig zu präsentieren und in wenigen Worten zu erklären, wo Vorteile und Nutzen des Produktes liegen. Es gibt unter Designern den geflügelten Satz: „Perfekt ist es nicht, wenn man nichts mehr hinzufügen kann, sondern wenn nichts mehr da ist, was man wegnehmen kann!“*
Und dieser Satz bringt’s ziemlich genau auf den Punkt. Gut ist Design erst dann, wenn alles Unnütze eliminiert, und das gestaltete Produkt auf das Wesentliche reduziert wurde.
Das gilt – im Gegensatz zur Literatur – auch für Werbetexte. Gute Copywriter (so werden Texter gern genannt) wissen das. Kunden leider oft nicht. Was in der Praxis dann oft zur Folge hat, dass es halbherzige Kompromisse gibt.
FAZIT
Stellen Sie sich immer die Frage, ob es mit weniger auch noch gleich gut (oder sogar besser?) geht.
Weniger Worte, weniger Klicks, weniger grafische Elemente.
Reduzieren Sie keinesfalls nur um der Reduktion willen! Die Verständlichkeit eines Designproduktes (ob Website, Möbel oder Printmagazin spielt dabei keine Rolle) muss gegeben bleiben.
ABER: Entfernen Sie wirklich alles, was nicht unbedingt sein muss!
Gerade in Zusammenhang mit dem KISS-Prinzip lohnt es sich also, den mühsamen Kampf mit seinem Auftraggeber einzugehen und (teilweise harte) Überzeugungsarbeit zu leisten. Denn das Ergebnis ist zumeist um ein Vielfaches besser, als wenn man hier zu schnell nachgibt.
Denn nicht nur guten Freunden gibt man ein Küsschen, sondern mitunter auch seinen Kunden ;-)
Im dritten Teil der Serie geht es dann um die Aussage „Weniger ist
mehr“ – falls Sie regelmäßig darüber informiert werden wollen, wenn wir mal wieder was zu sagen haben, melden Sie
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Über den Autor:
Sascha Ladurner ist bekennender Grafik-Nerd. Er ist außerdem selbsternannter Fußballprofessor.
Beruflich beschäftigt er sich mit Werbung und Design und berät Unternehmen über die vielfältigen Möglichkeiten des Werbeuniversums.
Er klettert leidenschaftlich gerne, hört Iggy Pop und leidet mit Wacker Innsbruck.
Kontakt: office@quickdraw.at
*Weiterführende Quellen:
KISS: https://de.wikipedia.org/wiki/KISS-Prinzip
Was ist ein Apronym? https://de.wikipedia.org/wiki/Akronym#Apronym
Abgewandeltes Zitat – das Original von Antoine de Saint-Exupery gibt's hier
Bisher in der Reihe "Rules of Design" erschienen: