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Rules of Design – Vol.1 – Form follows Function

Form Follows Function

Bild zeigt die Typographie von Form follows Function
Designerregel Nummer 1: Form follows Function

In den folgenden Wochen möchte ich auf einige der wichtigsten Regeln für Designer näher eingehen. Dabei ist mir aber wichtig, dass es eben nicht nur für Profis verständlich wird, sondern dass sich auch alle anderen Unternehmer, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen möchten oder vielleicht sogar müssen, ein Verständnis dafür bekommen, was gutes Design ausmacht.

 

Beginnen möchte ich mit einer – aus meiner Sicht – Grundregel jeden guten Designs:

FORM FOLLOWS FUNCTION!

Ein kurzer historischer Exkurs

Der Ausspruch selbst ist alles andere als neu – er taucht erstmals 1852 in Verbindung mit dem amerikanischen Bildhauer Horatio Greenough auf, und findet einige Jahre später in einem berühmten Aufsatz des ebenfalls amerikanischen Architekten Louis Sullivan Niederschlag. Sehr oft wird auch deswegen ihm dieses Zitat zugeschlagen. Im deutschsprachigen Raum wurde der Ausspruch vor allem durch die Protagonisten des Bauhaus bekannt.

Bedeutung

Was bedeutet aber nun genau die Aussage „Form follws function“?

Nichts anderes, als dass sich die Form eines Produktes (also die Gestaltung von Dingen) aus dem Nutzzweck (also der Funktion) ableiten lässt. Was umgekehrt auch bedeutet, dass sich aus der Form die Sinnhaftigkeit der Funktion ergibt. Das klingt jetzt erst einmal schwierig, lässt sich aber anhand einiger Beispiele gut erklären.

 

Denken wir zum Beispiel an jemanden, der gerade dabei ist ein Haus zu bauen. Will diese Person morgens von der Sonne aufgeweckt werden, dann muss er sein Schlafzimmer ostseitig planen. Die „Funktion“ der Morgensonne (geht im Osten auf) gibt die „Form“ des Hauses (Schlafzimmer ostseitig) vor.

 

Aber natürlich gilt diese Regel nicht nur in der Architektur, sondern in allen Bereichen des Designs. Egal ob Produktdesign, Print oder Digital Design (worunter auch Webdesign und Apps fallen) – überall findet „Form follows Function“ Anwendung.

Drei wiederkehrende Mißverständnisse

Dabei gilt es aber zu beachten, dass man nicht einigen Missverständnissen aufsitzt, welche sich sehr hartnäckig halten, und sogar von professionellen Designern oft fälschlicherweise kommuniziert werden.

Missverständnis 1: Funktion ist wichtiger als Form

Das erste große Missverständniss ist, dass diese Regel keinesfalls bedeutet, dass Funktion wichtiger als Form ist!

Richtig ist dagegen, dass sich Funktion und Form gleichberechtig gegenüberstehen.

 

Denn in der Form kommen – und das trifft insbesondere auf Print- und Digital Design zu – Eigenschaften zum Tragen, welche für den Erfolg mehr als erheblich sind. Durch die ästhetischen Aspekte eines Designs, also z.B. die Haptik des Papiers, oder die Bilder auf der Homepage, werden bereits Aufschlüsse über die Funktionsweise vermittelt. Die Ästhetik ist also ein nicht zu unterschätzendes (Stil)Mittel zur Erklärung der Funktion. Darüber hinaus beeinflusst das Aussehen natürlich sehr stark die Bewertung eines Produktes und dessen dem potentiellen Kunden bisher noch unbekannten Eigenschaften.

Dieser sogenannte Halo-Effekt besagt zum Beispiel, dass attraktive Menschen als erfolgreicher eingeschätzt werden als weniger attraktive. Zwar gibt es zum jetzigen Zeitpunkt keine aussagekräftigen Studien, dass dies bei User-Interfaces ebenfalls ein Kriterium ist, aber grundsätzlich ist davon auszugehen, dass attraktive – sprich richtig gestaltete – Designs als hochwertiger wahrgenommen werden, und dadurch auch das dargestellte Unternehmen kompetenter eingestuft wird.

Und selbstverständlich schürt Design auch Emotionen – und sind diese positiv, wirkt sich das mitunter auf das Verhalten ebenfalls positiv aus. Umgekehrt bedeutet das, wenn jemand z. B. auf ein schlecht und unattraktiv gestaltetes Webportal kommt, dies noch bevor es dort zu einer ersten Handlung kommt, als komplizierter eingestuft wird, als ein vergleichbares gut designtes Portal. Selbst wenn dann nur gleich viele Klicks notwendig sind um zum Ziel zu kommen, wird das schlecht designte Portal als komplizierter eingestuft. Die Ästhetik, und damit die Form, haben also direkten Einfluss auf das Verhalten von potentiellen Kunden.

 

Deshalb darf „Form follows Function“ keinesfalls dahingehend missinterpretiert werden,

rein funktionale, aber dafür ästhetisch schlecht ausgeführte Interfaces, Webdesigns oder Printprodukte zu rechtfertigen!

Missverständnis 2: Es gibt nur eine Funktion

Das zweite große Missverständnis lautet, dass es nur eine Funktion gibt!

 

Beinahe jedes Produkt oder jede Dienstleistung (auch diese müssen ja „designt“ werden!) erfüllt mehr als nur einen Zweck. Ein Teller hat zweifellos die Hauptfunktion, dass ich darauf Essen serviere und davon esse. Aber wenn der Teller Teil eines Services ist, welches ich in dritter Generation als Erbstück erhalten habe, dann sind damit auch ganz andere Funktionen wie z.B. die Erinnerungen an meine Oma, mein altes Zuhause oder meine Kindheit verbunden. Damit ist die Funktion nicht mehr eingeschränkt auf die ursprünglich angedachte. Funktionen können also nicht nur rationaler Art sein, sondern auch auf emotionaler Ebene passieren.

 

Es gilt also im Design immer auch zu hinterfragen, welche verschiedenen Funktionen hat ein Produkt oder eine Dienstleistung, und welche ist diejenige, auf die der Fokus gelegt werden soll!

Missverständnis 3: Es gibt nur eine Form

Und zu guter Letzt wird oft angenommen, dass es nur eine Form für die jeweilige Funktion gibt.

Das ist – unter den gleichen Gesichtspunkten wie vorher beschrieben – natürlich unrichtig.

 

Es gibt eben nicht nur technische Faktoren, die die Form beeinflussen (siehe: Morgensonne bedingt ostseitiges Schlafzimmer), sondern auch kulturelle und emotionale. Sitzgelegenheiten in Japan werden grundsätzlich anders designt als bei uns in Europa – das hat kulturelle Hintergründe. Auch Essstäbchen und unser Besteck dienen beide zur Nahrungsaufnahme, wurden aber komplett unterschiedlich designt.

 

Es ist also im Design auch immer zu bedenken, in welchen Kulturkreisen man sich bewegt und für welche Zielgruppen das Design gedacht ist. Denn dadurch entstehen auch unterschiedliche Formen für dieselben Funktionen.

Bedeutung in der Design-Praxis

Nun aber genug von der Theorie und ab in die Praxis. Was bedeutet dies nun für Designer in ihrer täglichen Arbeit – wie kann „Form follows Function“ im Designeralltag integriert und umgesetzt werden?

 

Als erstes sollte man sich damit auseinandersetzen, was die Hauptfunktion des Produktes ist. Wie weiter oben beschrieben haben ja beinahe jedes Produkt oder jede Dienstleistung mehr als eine Funktion. Und deshalb gilt es, mit dem Auftraggeber die Hauptfunktion festzulegen und sich auf diese als Designziel zu fokussieren. Eine Website z. B. ist nicht einfach eine Website. Es macht einen Unterschied, ob ich einen Web-Shop für selbstgemachte Marmelade designe, oder für ein Technologie-Start-Up eine Produktseite.

 

Alles Visuelle dient also dem Endzweck: der Sichtbarmachung des Hauptzwecks eines Produktes oder einer Dienstleistung.

Auch Farben spielen dabei eine wichtige Rolle. Will ich einen User darauf aufmerksam machen, dass er gerade einen Anwenderfehler macht, empfiehlt sich die Farbe Rot. Grün dagegen kann anzeigen, dass es im Ablauf weitergeht.

Auch sogenannte „visuelle Metaphern“ sind Stilmittel, um Funktionen zu erklären. Der Schreibtisch am Computer fällt unter diese Bezeichnung. Dort gibt es Ordner und Papierkorb – alles Dinge, die man aus der realen Bürowelt kennt und gewohnt ist. Dadurch werden die geforderten Handlungsabläufe selbsterklärend. In den Papierkorb gebe ich die Dateien, die ich nicht mehr brauche. Und die noch benötigten werden in einem Ordner abgelegt.

 

Designe ich Objekte mit „Affordance“ – der Fachbegriff zur Handlungsaufforderung – muss ich als Designer zusätzlich darauf achten, dass diese visuell möglichst wenig Missverständnisse aufkommen lassen.

Sagen wir zum besseren Verständnis einfach, der Auftrag lautet eine Schwingtüre zu designen, welche nur in eine Richtung geöffnet werden kann. Dann würde man im Idealfall an der Seite, auf der man die Türe ziehen muss einen großen Handgriff anbringen, auf der anderen Seite aber entweder gar nichts oder nur eine Leiste, die zum Drücken auffordert.

 

Und zu guter Letzt gilt es auch zu vermeiden, die Form aus der Hauptfunktion falsch abzuleiten. Dabei muss man aber beachten, dass Form nicht nur das räumliche Aussehen betrifft, sondern auch die Assoziationen, die man damit in Verbindung bringt.

Stellen Sie sich vor, Sie designen ein Messer. Sie entschließen sich, die Form dazu ganz klassisch zu gestalten, mit einem Griff und daran befestigter Klinge. Wenn Sie jetzt aber hergehen und die Klinge Rosarot mit hellblauen Tupfen bemalen, und den Griff violett einfärben, verliert das Messer optisch seine „Gefährlichkeit“ und mutiert zu einem Spielzeug, was für Kinder – und deren Eltern – möglicherweise fatale Folgen haben könnte.

Deshalb ist es besonders wichtig, dass das Gesamtbild ein stimmiges und schlüssiges ist.

FAZIT

Es kommt auf die Balance von Form und Funktion an.

Ein rein funktionales Design funktioniert genauso wenig, wie ein ästhetisch einwandfreies Design, welches die Funktion nicht preisgibt.

 

Gibt es nun eigentlich nichts, wo die Form tatsächlich eine größere Rolle spielt als die Funktion? Doch, natürlich: in der Kunst!

Designer sollten sich aber nicht für Künstler halten – zumindest nicht wenn sie im Auftrag von Kunden handeln

Im zweiten Teil der Serie möchte ich Ihnen das KISS-Prinzip näherbringen – falls Sie regelmäßig darüber informiert werden wollen, wenn wir mal wieder was zu sagen haben, melden Sie sich doch einfach für unseren Newsletter an. Und ganz ehrlich – Sie bekommen höchstens ein mal im Monat ein Mail von uns!


Über den Autor:

Sascha Ladurner ist bekennender Grafik-Nerd. Er ist außerdem selbsternannter Fußballprofessor.

Beruflich beschäftigt er sich mit Werbung und Design und berät Unternehmen über die vielfältigen Möglichkeiten des Werbeuniversums.

Er klettert leidenschaftlich gerne, hört Iggy Pop und leidet mit Wacker Innsbruck.

Kontakt: office@quickdraw.at

Historische Quellen:

1) McCarter, Robert: Frank Lloyd Wright. London 2010 (6. Auflage), S. 14. – in diesem Buch findet sich der Hinweis auf das Zitat von Horatio Greenough

2) The tall office building artistically considered, Lippincott’s Magazine, März 1896 – unter diesem link finden Sie den gesamten Aufsatz