Früher war doch alles Besser
Oder: Wie sich das Werben verändert hat
Ach, wie schön war’s in der guten alten Zeit. Wer ein Geschäft hatte und die Notwendigkeit verspürte, es bekannter zu machen, rief bei der Zeitung an und schaltete ein Inserat. Abhängig vom Werbebudget und der Branche entweder im Gemeindeblatt, der lokalen Wochenzeitung, der regionalen Tageszeitung oder halt in der Kronenzeitung, wenn’s im ganzen Land erscheinen musste (für unsere nichtösterreichischen Leser: da wir in Wien zuhause sind, nehmen wir der Einfachheit halber eine österreichische Zeitung – könnte aber selbstredend auch die BILD sein!).
War man zum Beispiel Florist, kam der Redakteur, machte ein nettes Bild, man schrieb eine Telefonnummer dazu, bemerkte ganz beiläufig, dass man Blumen für alle Anlässe habe, im speziellen für Taufen, Hochzeiten, Trauerfälle und den Valentinstag. Und da der Kunde keine andere Möglichkeit hatte, las er eben Zeitung und mit ein wenig Glück auch das Inserat. Und weil halt grad der Opa das Zeitliche gesegnet hat, oder der Valentinstag bevorstand, ist besagter Leser dann auch tatsächlich vorbeigekommen, und hat einen Trauerkranz oder Rosenstrauß gekauft.
Hatte man dann aber die Nonchalance, beim Medienunternehmen nachzufragen, wie viele Personen denn nun das Inserat tatsächlich gelesen hätten, wurde einem mit Mediadaten „gedroht“, bei denen aber niemand wirklich durchblickte (am wenigsten die Inseratenverkäufer – das weiß ich durch meine langjährige Verlagserfahrung) und die einem im Grunde nur die Zahl derer lieferten, die auf Grund einer umfragebasierten Hochrechnung die Zeitung als solche mit hoher Wahrscheinlichkeit lesen – im Durchschnitt wohlgemerkt!
Über die Interpretationen der Mediadaten wäre auf Grund der Vielfalt des Themas wohl ein eigener Blog fällig – der kommt auf die To-So-List ;-)
Aber wie gesagt, es gab keine Alternativen. Ziel war es also, möglichst viele Dinge auf möglichst kleinem Raum zu pressen (Kosten-Nutzen-Faktor im Print), da ich ja nur diese eine Möglichkeit hatte, den trauernden Enkel, den verliebten Nachbarn und die aufgeregte Braut anzusprechen. Und zwar mit ein und demselben Inserat! Klingt verrückt? Ist es auch!
Und heute? Wer schon mal versucht hat, in einem Social Media- oder Online-Kanal Werbung zu schalten, wird vermutlich an der übermächtigen Zahl der Interessenauswahl für die sogenannte Zielgruppenbestimmung verzweifelt sein. Warum aber gibt’s denn die überhaupt, und kann ich das nicht ignorieren? Kann man’s nicht wieder einfach so einfach haben wie früher? Klare Antwort: NEIN!
Und der Grund ist dafür ist: Wir leben im 21. Jahrhundert. Das allein ist jetzt noch nicht unbedingt Grund genug, aber die Tatsache, dass sich in den letzten 120 Jahren die Wirtschaft von der Industrialisierung hin zur digitalen Welt verändert hat, macht eine genaue Zielgruppendefinierung eben notwendig.
Früher war es wichtig, „average products for average people“ zu produzieren. Und dies war vor allem über die Fertigung von „Massenware“ für einen noch nicht gesättigten Markt möglich. Heute ist der Markt grundsätzlich in allen Bereichen gesättigt, manchmal sogar übersättigt. Um mit seinen Produkten und Dienstleistungen also noch zu Punkten, muss man die geeignete Nische finden. Und darum muss man seine potentiellen Kunden genau ansprechen. Und wer glaubt, dass das, was man anbietet, „für Alle“ sei, wird entweder im Marketing scheitern, oder aber unglaublich viel Geld dafür brauchen, denn der sogenannte Streuverlust in der Werbung wird enorm sein. Von Streuverlust spricht man, wenn die Werbebotschaft zwar viele Menschen erreicht, aber nur wenige davon meine potentiellen Kunden sind. Es ist also wichtig die Werbebotschaft auf die Zielgruppe entsprechend abzustimmen.
Um beim Beispiel mit dem Floristen zu bleiben: Es macht keinen Sinn mehr, alle Kunden gleich anzusprechen, sondern man wird die Trauerkränze mit einer ganz anderen Botschaft bewerben, als die Möglichkeit, sich in diesem Geschäft den Blumenschmuck für die Hochzeit zu bestellen. Und zwar deshalb, weil in der (Online)Werbung heute die Möglichkeit besteht, die Werbung sehr genau dorthin zu liefern, wo Bedarf besteht. Wer also seine Hochzeit plant und den Suchbegriff „Brautstrauß“ googelt, wird mit großer Wahrscheinlichkeit nicht auf die Anzeige klicken, die auch für Trauerfälle ausgespielt wird. Es sinken also die Chancen für all jene, die nicht zielgruppengenaue Werbung ausspielen.
Das Gute daran ist aber, dass es heutzutage nicht mehr mit Mehrkosten verbunden ist, viele verschiedene Anzeigen zu schalten. Man kann sein Budget also ohne viel Aufwand entsprechend splitten, und so der Braut mit einer entsprechenden Anzeige die Vorfreude auf die Hochzeit sogar noch vergrößern, anstatt sie mit einer „Todesanzeige“ vor den Kopf zu stoßen ;-)
Über den Autor:
Sascha Ladurner ist bekennender Grafik-Nerd. Er ist außerdem selbsternannter Fußballprofessor.
Beruflich beschäftigt er sich mit Werbung und Design und berät Unternehmen über die vielfältigen Möglichkeiten des Werbeuniversums.
Er hört Iggy Pop und leidet mit Wacker Innsbruck.
Kontakt: sascha.ladurner@gmail.com